Hilferuf: Dem Handwerk fehlen die Auszubildenden
Handwerksberufe sind out? Immer weniger junge Menschen entscheiden sich für einen Handwerksberuf. In der Region bleiben in diesem Jahr zahlreiche Stellen unbesetzt. 2022 wurden 8,6 Prozent weniger Ausbildungsverträge im Vergleich zum Vorjahr abgeschlossen. Die Handwerkskammer fordert daher eine Bildungswende von der Politik.
Ludwigsburg und Esslingen besonders stark betroffen
Auf dem Bau, in einem Friseursalon oder als Konditor: Handwerksberufe sind längst nicht mehr so beliebt, wie sie es einmal waren. Dabei werden sie weiterhin dringend gebraucht. „Der Rückgang an Auszubildenden in diesem Jahr trifft das Handwerk hart“, sagt Peter Friedrich, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer in der Region Stuttgart. In der Landeshauptstadt selbst wurden in diesem Jahr 612 Ausbildungsverträge abgeschlossen. Das sind 6,8 Prozent weniger als im letzten Jahr. Die Landkreise Ludwigsburg und Esslingen hat es noch stärker getroffen. Ganze 15,2 Prozent weniger Ausbildungsverträge gibt es in Ludwigsburg, Esslingen verzeichnet ein Minus von 9,6 Prozent. Im Durchschnitt wurden 8,6 Prozent weniger Ausbildungsverträge in der ganzen Region Stuttgart abgeschlossen.
Fehlende Bewerber seien nur die Spitze des Eisbergs
Die Entwicklung bereitet dem Handwerk große Sorgen. „Die Betriebe bieten weiterhin viele Ausbildungsplätze, die aber nicht in ausreichendem Maße genutzt werden“, so Friedrich. Grund für den Rückgang seien zum einen die zurückliegenden Corona-Jahre. Berufsorientierung wäre oft nur unter erschwerten Bedingungen möglich gewesen und viele Schüler seien länger an ihrer Schule geblieben. Zweiter Grund sei aber der demografische Wandel. Laut Handwerkskammer gibt es weniger junge Menschen, die sich auf eine Ausbildung bewerben können. In der Lehrstellenbörse der Handwerkskammer sind noch weit über 400 freie Ausbildungsstellen gelistet. „Und nicht jeder Betrieb meldet sein Angebot an offenen Lehrstellen“, so Friedrich. Die Zahl sei somit nur die Spitze des Eisbergs.
Bildungswende an Schulen gefordert
Das Handwerk fordert die Politik auf, eine echte Bildungswende umzusetzen: „Wir verspielen die Zukunft, wenn wir nicht mehr Fachkräfte ausgebildet bekommen“, sagt Friedrich. Für die Handwerkskammer bräuchte es deshalb mehr Anerkennung und Anstrengung für die berufliche Bildung. Es dürfe keine Zweiklassengesellschaft in der Bildungspolitik mehr geben. Gefordert wird deshalb beispielsweise ein „Tag des Handwerks“ an allen allgemeinbildenden Schulen. An diesem Tag sollen den Schülern die Berufsmöglichkeiten des Handwerks näher gebracht werden. In Bayern wird ein solcher Tag im kommenden Schuljahr eingeführt.
Klimaberufe sind besonders beliebt
Weiterhin beliebt bei jungen Menschen sind Ausbildungsstellen im Kfz-Handwerk, der Sanitär-Heizung-Klima-Branche und im Elektro-Handwerk. „Die guten Ausbildungszahlen für die Branchen Elektro und Sanitär-Heizung-Klima zeigen, dass die Jugendlichen die Energiewende selbst in die Hand nehmen“, erklärt Friedrich. Gefragt sind auch weiterhin Ausbildungsplätze in den Bau- und Ausbaubetrieben wie beispielsweise Schreinereien oder Zimmereien. Wenig beliebt sind dagegen Ausbildungen in Friseursalons, Metallbauunternehmen und im Lebensmittelhandwerk.
VIDEO: Bei der Ausbildungsmesse „Hands up“ auf dem Marktplatz in Stuttgart konnte man sich ausgiebig über Handwerksberufe informieren
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