Suizid und Suizidprävention – in Zeiten der Polykrisen ein wichtiges Thema
Zwischen 9.000 und 10.000 Menschen nehmen sich in Deutschland pro Jahr das Leben. Auch bei der kirchlichen Telefonseelsorge geben Menschen in ihrer Verzweiflung zu erkennen, dass sie nicht weiterleben möchten. Wir haben mit haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Telefonseelsorge über das Thema gesprochen.
Suizidalen Druck nehmen
Alles erscheint aussichtslos, hoffnungslos, sinnlos. So beschreibt Bernd Müller, stellvertretender Leiter der katholischen Telefonseelsorge Ruf und Rat, die Gedanken von Menschen mit Suizidabsichten. Betroffene befinden sich in einer für sie ausweglosen Situation, dominiert von Ängsten und Einsamkeit. Ausgelöst werden diese Gedanken nicht selten durch gesellschaftliche Krisen. Bei jungen Menschen sind besonders durch die Isolation während der Pandemie Nachbelastungen geblieben, die sie verzweifeln lassen und in ihnen Suizidgedanken schüren. Die haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter der katholischen und evangelischen Telefonseelsorge geben den Betroffenen einen Raum, in dem sie über ihre seelische Not sprechen und ihnen so den suizidalen Druck nehmen können. Denn durch die absolute Anonymität am Telefon, via Mail oder Chat fühlen sich die Menschen oft wohler, einer anderen Person ihre persönlichen Anliegen anzuvertrauen.
Rund um die Uhr Erreichbarkeit
Die ehrenamtlichen Mitarbeiter der kirchlichen Telefonseelsorge sind Tag und Nacht erreichbar. Sie haben in Schulungen gelernt, wie sie mit den Suizidalen sprechen und welche Fragen sie stellen können. Die Mitarbeiter versuchen, während des Gesprächs den Tunnelblick der Menschen aufzubrechen und ihnen neue Ideen oder ein wenig Hoffnung zu geben. Doch welchen Entschluss der Betroffene nach dem Gespräch gefasst hat, können sie nicht wissen. „Wir sprechen für das Leben, aber die Verantwortung bleibt bei der Person,“ so Martina Rudolph-Zeller, Leiterin der evangelischen TelefonSeelsorge.
Jahresstatistik der Telefonseelsorge
Die 185 qualifizierten Ehrenamtlichen der katholischen und evangelischen Telefonseelsorge haben im vergangenen Jahr 27.269 Gespräche am Telefon geführt. Dazu kamen 853 E-Mails und 2.190 Chats. Jüngere Menschen nutzten besonders häufig die Mail- und Chatberatung. Die Hauptthemen der Menschen, die sich anonym an die Seelsorge gewendet haben, sind Einsamkeit, familiäre Beziehungen, depressive Stimmung, Ängste und körperliche Befinden.
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