Disco-Fever im Stuttgarter Rathaus: Für die Stuttgartnacht 2015 verwandelt sich das Foyer des Rathauses am späten Samstagabend in einen brodelnden Club.
Die Musik zum Tanzbeinschwingen liefert ein DJ-Trio, das im Stuttgarter Nachtleben bisher völlig unbekannt war. An den Tables: Die Bürgermeister Isabel Fezer (FDP), Werner Wölfle (Grüne) und Peter Pätzold (Grüne).
VON MORITZ SCHUDNAGIES
Das Foyer des Stuttgarter Rathauses ist erst zur Hälfte gefüllt, als sich Sozialbürgermeisterin Isabel Fezer gegen 23 Uhr an das DJ-Pult stellt. Sie wirkt selbstsicher, locker, wie aus alter Gewohnheit setzt sie die Kopfhörer auf, wirft einen kurzen Blick auf ihre Playlist, dann schiebt sie den Lautstärkeregler nach oben. Als Auftakt spielt Fezer den Song „Black Cat“ von Brian Auger, eine Mischung aus Funk und Rockmusik der alten Schule – laut, schnell, cool und verdammt groovy. Das wirkt. Im Saal trauen sich die Ersten auf die Tanzfläche, auch DJane Fezer wippt entspannt zum Takt, während sie das nächste Lied selektiert. Fast könnte man meinen, sie täte das nicht zum ersten Mal. Als wäre das alles Routine.
VIDEO-Beweis: Hier legen die Stuttgarter Bürgermeister auf
Dabei handelt es sich um eine Premiere. Bürgermeister als DJs – das gab es in Stuttgart noch nie. „Die Idee kam von einer jungen Kollegin“, sagt Verwaltungsbürgermeister Werner Wölfle. „Ich fand das witzig und habe gleich mitgemacht. Der Pätzold ist bei solchen Dingen sowieso dabei und als Frau Fezer noch zugesagt hat, war unser Auftritt beschlossene Sache.“ Als Vorbereitung auf den Auftritt erhielten die drei Bürgermeister vergangenen Donnerstag einen DJing-Crashkurs im Stuttgarter Club „Schräglage“ – und der sei laut Baubürgermeister Peter Pätzold auch nötig gewesen. Denn seit er das letzte Mal auf Schulpartys an den Plattentellern stand, hat sich in Sachen Technik beim Auflegen einiges getan. „Das läuft ja inzwischen alles digital“, sagt er.
Früher habe man die Musik noch von Vinylplatten gespielt, heute seien die Platten nur noch zum „Queuing“ da. („Queuing“ ist eine Technik zum Abspielen eines Songs ab einer bestimmten Stelle, Anm.d.Red.). „Aber damals war man auch nicht DJ, sondern man war ‚für die Musik zuständig'“.
Pätzold (siehe Foto oben) wird als letzter der drei Bürgermeister auflegen. Sein Set bestehe ausschließlich aus 80’s und New Wave, erzählt er. Damit sei er musikalisch sozialisiert, mit den 80ern kenne er sich aus. Sogar seine alten Sneakers hat er angezogen – weiße Basketballschuhe von Nike mit durchgelatschten Sohlen, in Würde gealtert, Schuhe mit Charakter. „Die sind noch original aus den 80ern“, lacht Pätzold, „ich dachte: wenn ich sie heute nicht anziehe, wann dann?“
Im Vorfeld des Abends wurde Pätzold als Favorit des Trios gehandelt – seine hitlastige Playlist mit klarer 80’s-Orientierung gilt als absolut tanzbar und partytauglich. Davon will Pätzold aber nichts wissen. „Wir haben alle gute Musik im Petto“, sagt er. Werner Wölfle, der als der Rocker unter den Bürgermeister-DJs gilt, habe bestimmt einige Überraschungen parat.
Und tatsächlich: als Wölfle als zweiter DJ des Abends Isabel Fezer an den Turntables ablöst, eröffnet er sein Set – statt wie vermutet mit einem Klassiker der Rolling Stones – mit einem Dance-Remix von Cheb Khaleds weltberühmten Titel „Aiysha“. Auch sonst findet sich in Wölfles Set nichts rocklastiges, dafür feinste Tanzmusik von Adele, Nelly Furtado und Peter Fox. Das Publikum ist begeistert, die Tanzfläche ist zum Bersten voll – auch Wölfle scheint sich in seiner Rolle als DJ pudelwohl zu fühlen. Als er das Pult schließlich für seinen Kollegen Pätzold freimacht, hat die Stimmung im Foyer des Stuttgarter Rathauses ihren Höhepunkt erreicht. Der perfekte Moment für DJ Pätzolds Auftritt.
Mit dem legendären Titel „Hit that perfect Beat“ von Bronski Beat eröffnet Pätzold seine 80er-Session und heizt der Menge weiter ein. Mit erstaunlicher Leichtigkeit bedient er die Plattenteller als sei das alles nichts Neues für ihn, als hätte er das schon tausend Mal gemacht.
Es ist weit nach Mitternacht, als Pätzold sein letztes Lied spielt und das Publikum das DJ-Trio Fezer, Wölfle und Pätzold mit tosendem Applaus verabschiedet. Alle drei haben einen souveränen Auftritt hingelegt, alle drei haben es geschafft, das Publikum mit ihrer Musikauswahl in Bewegung zu bringen – sei es mit New Wave, Funk oder mit Radiohits der vergangenen zwei Jahrzehnte. Es war das erste Mal, dass Stuttgarter Bürgermeister sich als DJs versucht haben. Vielleicht wird man Events dieser Art in näherer Zukunft wieder erleben. Wünschenswert wäre es.
Fotos: STUGGI.TV / Moritz Schudnagies, Veranstalter Stuttgartnacht