Wenn man darauf achtet, sieht man sie gar nicht mal so selten: Fahrrad-Stationen mit den roten DB-Leihfahrrädern. Nur auf den Straßen kommen sie nicht sonderlich häufig vor. Redakteurin Marlies Goes ist der Sache auf den Grund gegangen.
VON MARLIES GOES
Ein selten genutztes Angebot?
Der Bike-Sharing-Service der Deutschen Bahn „Call a bike“ scheint ein selten genutztes Angebot zu sein. Zumindest sehe ich eher selten jemanden auf dem roten Drahtesel mit dem unsexy Gepäckträger. Zu teuer? Zu wenig Stationen? Kein gutes System? Oder ist es mir bisher einfach nur nicht aufgefallen, dass die Teile mega hip und super gefragt sind?
Ich muss zugeben, bei unserer Umfrage habe ich selbst mit Antwort zwei abgestimmt: Fahrrad fahren in Stuttgart? Nöö, zu viele Hügel. Damit bin ich auch nicht allein, nicht umsonst leben wir in der Feinstaubhauptstadt Deutschlands. Aber man muss ja auch mal über seinen Schatten springen, also: Rauf auf den Sattel.
Achtung Falle!
So schnell geht es dann nicht ganz. Im Netz oder per App kann man sich ganz einfach anmelden und dabei verschiedene Tarife wählen. Hier hat man die Wahl zwischen „Basis“ für 3€ im Jahr, die man gleich als Startguthaben aufs Konto bekommt und „Komfort“ für 9€ im Monat oder 49€ im Jahr. Mit dem Komfort-Tarif ist die erste halbe Stunde jeder Fahrt gratis. Tja und genau das ist die Falle.
Im Buchungsfenster bei der Registrierung wird einem verschwiegen, dass man in Stuttgart und Hamburg bei beiden Tarifen die ersten 30 Minuten gratis bekommt! Das heißt der Komfort-Tarif ist hier total unnötig und bringt uns Stuttgartern keinerlei Vorteil. Das findet man erst raus, wenn man sich auf der Homepage in den Reiter „Preise“ ausführlich einliest.
Auf in die Pedale!
Sooo, es wird ernst. Auf zur nächsten Fahrradstation! Die Entleihe geht schnell und unkompliziert. Einfach am Handy auf die richtige Nummer getippt, auf das Display am Fahrrad gedrückt und schon kann man den Riegel des Fahrradständers entfernen. Der Sattel lässt sich leicht per Schnellspanner verstellen, also nix wie los. Juhuu, es fährt. Es hört sich zwar an, als würde es jeden Moment in seine Einzelteile zerfallen, aber immerhin: es fährt.
Ob alle Fahrräder so klapprig sind? Oder habe ich nur Pech gehabt? Ich fahre zur nächsten Station und schließe mein Klapperrad wieder an. Versuche es zumindest. Denn obwohl der Riegel bis zum Anschlag im Fahrradschloss steckt, sagt mir das Display „Bitte Riegel ganz einschieben“. Geht aber nicht.
Ein Pluspunkt für die Hotline
Eine tolle Gelegenheit den Kundenservice auszuprobieren. Nach einer kurzen Warteschleife komme ich auch schon durch, und ein netter Herr fragt nach meiner E-Mail-Adresse und meinem Problem. Die von ihm vorgeschlagenen Lösungsansätze sind allesamt wirkungslos, aber höflich ist er. Ich nehme einfach einen anderen freien Stellplatz und der funktioniert.
Das nächste Fahrrad ist in Sachen Klapprigkeit ein kleines bisschen besser. Allerdings habe ich bei jeder Bordsteinkante Angst, dass die hinteren Ritzel plötzlich das zeitliche segnen. Also alles in allem sind die Räder nicht gerade in einem Top-Zustand.
Aus den Anfängen der Touch-Ära
Für kurze Pausen zwischendurch haben die Call-A-Bike-Räder integrierte Fahrradschlösser. Beim Abschließen bekommt man einen Code angezeigt, der später zum Entriegeln eingegeben werden muss. Während ich also beim Bäcker in der Schlange stehe, wiederhole ich im Kopf „4969, 4969“ in Dauerschleife. Das wäre gar nicht nötig gewesen, denn die Nummer steht auch in der App zur Verfügung. Man muss sich also nix merken.
Das größere Problem ist dann das Eingeben des Codes. Das Display am Fahrrad ist etwas kleiner als eine herkömmliche Visitenkarte und mit einer Touch-Technologie ausgerüstet, die gefühlt aus dem letzten Jahrhundert stammt. Auch wenn ich noch so fest mit dem Fingernagel auf die Neun haue: das System wählt mir jedes Mal die Drei an. Tolle Wurst.
Irgendwann meldet sich das Rad komplett ab und ordnet sich einer nahegelegenen Abgabe-Station zu. Auch gut, dann kann ich es einfach neu entleihen. Aber irgendwie nicht so ganz Sinn der Sache.
Mittel-Happy-End
Die entgültige Abgabe klappt dann jedenfalls einwandfrei. Man kann also zusammenfassend sagen: „Call a Bike“ hat seine Schwächen, ist aber in Stuttgart nahezu kostenlos. Wer immer weniger als 30 Minuten fährt, zahlt gerade mal drei Euro im Jahr. Das wären circa 0,8 Cent am Tag, da kann man echt nicht meckern. Wer dafür das nicht ganz reibungslose System in Kauf nehmen möchte, für den sind die Leihfahrräder eine gute Option. Für mich ist Radeln gerade noch zu kalt, aber ich bin sicher dass ich den Service im Sommer das eine oder andere Mal nutzen werde!
Fotos: STUGGI.TV
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