Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) wirft der alten Bundesregierung und Kanzlerin Angela Merkel extremes Fehlverhalten gegenüber Wladimir Putin vor: "Ich war nie für ein 'Butzi Butzi' mit den Erdogans und Putins dieser Welt". Im exklusiven Interview bei STUGGI.TV Chefredakteur David Rau spricht Özdemir über seine wichtigsten Ziele in der Landwirtschaft, sein "Vorbild" Winfried Kretschmann und über die Abstiegssorgen des VfB Stuttgart.
Wird Fleisch essen bald unbezahlbar?
Klar ist: Wenn wir unseren Fleischkonsum drastisch reduzieren, können wir aktiv etwas für den Klimaschutz tun. Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir will sogenannte „Ramschpreise“ verhindern. Wird sich Fleischessen bald keiner mehr leisten können? Werden die Lebensmittelpreise, gerade in Zeiten des Ukraine-Kriegs, dann nicht in unermessliche Höhen klettern? Der gebürtige Bad Uracher will sich dafür einsetzen, dass mehr Anteile des Kaufpreises an die Bäuerinnen und Bauern hierzulande gehen.
Özdemir über Fleischindustrie: „Das ist ein krankes System“
Özdemir will dafür auch eine Preissteigerung für Fleischprodukte in Kauf nehmen. „Wir blenden die Kosten aus, das ist wie wenn man in der Kneipe sagt, ich geb eine Runde aus, zahl aber nichts dafür“, sagt Özdemir, „das ist ein krankes System, dass ich nicht unterstützen will“. Bis 2025 hat sich Özdemir hohe Ziele gesetzt. So sollen Ställe tiergerecht umgebaut und auf mindestens 30 Prozent Öko-Landwirtschaft umgestellt werden.
Özdemir: Keine Zeit für „Butzi Butzi“ mit Putin
Zudem kritisiert Özdemir die Regierung unter Merkel scharf. Jahrelang habe man Putin unterschätzt. Man müsse den Umgang mit autoritären Herrschern zukünftig generell überdenken. „Ich bin nicht für Butzi Butzi mit den Erdogans und Putins dieser Welt“, sagt Özdemir. Das gelte auch innerhalb der Landesgrenzen. Angesichts der deutschen Waffenlieferungen an die Ukraine sagt Özdemir: „Sauber kommen wir da nicht mehr raus. Das, was wir im Bestand haben, liefern wir. Da wo wir können, helfen wir.“
„Baerbock hat vor Putin gewarnt“
Bei der Bundestagswahl vor fünf Jahren wurde Özdemir noch als potentieller Außenminister gehandelt. Mit der Bildung der Großen Koalition war dieses Ziel passé. Parteikollegin Annalena Baerbock habe seine volle Unterstützung. „Auch im Wahlkampf hat sie schon gute Reden gehalten. Beim Kanzler-Triell war sie die Einzige, die über Außenpolitik gesprochen und vor Putin und der Gefahr gewarnt hat“, sagt Özdemir.
„VfB kann von Freiburg lernen“
Als leidenschaftlicher VfB-Fan bangt auch der Bundesminister um den Abstieg in die zweite Liga. Im Interview zeigt sich Özdemir aber zuversichtlich: „Jetzt heißt es: Oben bleiben.“ Zur heiß diskutierten Trainerfrage um Pellegrino Matarazzo scheint sich Özdemir eine langfristigere Zusammenarbeit zu wünschen. „Von Freiburg kann man was lernen, wie die das hingekriegt haben mit dem gleichen Trainer über die lange Zeit“, so Özdemir.
„Winfried Kretschmann ist für mich ein Vorbild“
Wie sehen die weiteren Pläne des Bundeslandwirtschaftsministers aus? Hat es Özdemir auf das Amt des Ministerpräsidenten in Baden-Württemberg abgesehen? Zumindest in ihrer parteiübergreifenden Einstellung sind sich die beiden Politiker einig. „Winfried Kretschmann ist für mich ein Vorbild, das war schon immer so. „Was nach der Legislaturperiode passiert, sehen wir dann“, sagt Özdemir.
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