Sozialwohnungsmangel in Stuttgart – ein Überblick
In Deutschland gibt es zu wenige Sozialwohnungen. Besonders groß ist der Mangel unter anderem in Baden-Württemberg mit mehr als 200.000 fehlenden Sozialwohnungen. Zu diesem Ergebnis kam eine Studie des Pestel-Instituts bereits Mitte Januar. Nun will die Stadt Stuttgart dem schwächelnden Wohnungsbau entgegenwirken.
Anspruch & aktuelle Lage
Wer hat Anspruch auf eine Sozialwohnung? Dieser hängt von verschiedenen Faktoren, wie beispielsweise dem zur Verfügung stehenden Einkommen, einem möglicherweise vorliegenden Räumungsurteil oder einer Überbelegung der aktuellen Wohnung ab. Um eine Sozialwohnung beziehen zu dürfen, ist außerdem ein Wohnberechtigungsschein notwendig, welche die Wohnraumförderstelle ausstellt. Zum Jahresende 2022 zählt die Stadt Stuttgart 14.484 Sozialmietwohnungen. Für das Jahr 2023 ist davon auszugehen, dass die Anzahl an Sozialmietwohnungen nicht gesunken ist, wie die Stadt Stuttgart mitteilt. Angesichts der 200.000 fehlenden Sozialmietwohnungen, welche das Pestel-Institut im Auftrag des Bündnisses „Soziales Wohnen“ ermittelt hat, ist die Anzahl an Sozialmietwohnungen in Stuttgart jedoch weiterhin unzureichend. „In den letzten zwei Jahrzehnten wurden viel zu wenig geförderte Wohnungen in Stuttgart realisiert, was vor allem am Geld lag“, kritisiert Rolf Gaßmann, Vorsitzender des DMB Mietvereins Stuttgart. „Das dauert 100 Jahre, bis der Wohnungsbestand mal ausgeglichen ist“, ergänzt er.
Wie wichtig ist der Ausbau von Sozialwohnungen?
Für die unteren und mittleren Einkommensgruppen sind Sozialwohnungen aufgrund der weiterhin steigenden Mieten in Stuttgart und den allgemein steigenden Lebenshaltungskosten sehr wichtig. Alle Mietwohnungen mit städtischem Belegungsrecht sind derzeit vermietet. Die Stadt führt eine Warteliste, da die Nachfrage schon seit Jahren sehr hoch ist. Die durchschnittliche Wartezeit beträgt zwischen zwölf und 24 Monaten. Bei Einpersonenhaushalten beträgt die Wartezeit im Schnitt zirka 2,5 Jahre. Bei großen Haushalten mit über vier Haushaltsangehörigen liegt die Wartezeit bei fast vier Jahren. Die Zahlen zeigen: Es müssen dringend neue Sozialmietwohnungen gebaut sowie auslaufende Bindungen verlängert werden.
Geplante Sozialwohnungen in Stuttgart?
Im kommunalen Baulandmodell SIM (Stuttgarter Innenentwicklungsmodell) werden die Vorhabenträger verpflichtet, einen Teil der Wohnungen als geförderte Wohnungen zu bauen. Die Entwicklung städtischer Quartiere erfolgt mit einem Anteil an geförderten Wohnungen. Im Jahr 2024 kann so beispielsweise das Bettenhaus in Stuttgart-Nord mit 136 Wohnungen bezogen werden. Die Stuttgarter Wohnungs- und Städtebaugesellschaft (SWSG) realisiert dieses Projekt sowie einen weiteren Bauabschnitt in Zuffenhausen in der Keltersiedlung mit 180 Wohneinheiten. Das Siedlungswerk baut in der Nordbahnhofstraße in Stuttgart-Nord auf dem ehemaligen Auto Staiger-Gelände zusätzliche Sozialmietwohnungen. Außerdem können Sozialmietwohnungen in der Nähe des Julius-Brecht-Hauses in Stuttgart-Mühlhausen (Freiberg) bezogen werden.
Zusätzliche Gelder der Stadt
Die Stadt Stuttgart hat zusätzliche Mittel bereitgestellt, um den Bau neuer Sozialwohnungen zu fördern. Pro Quadratmeter Wohnfläche werden 300 Euro für den Bau neuer Sozialmietwohnungen bereitgestellt. Hierfür werden im Doppelhaushalt 2024/2025 acht Millionen Euro aufgebracht. Mit diesem Budget können etwa 400 neue Sozialwohnungen finanziert werden. Darüber hinaus unterstützt die Stadt Wohnungsunternehmen bei der Verlängerung von Belegungs- und Mietpreisbindungen. Im Doppelhaushalt 2024/2025 sind auch zusätzliche Gelder in Höhe von insgesamt 55 Millionen Euro für die Förderung der energetischen Gebäudesanierung eingeplant. Dies trägt dazu bei, die Mietnebenkosten zu senken und die Wohnqualität zu verbessern.
Einigung mit privater Wohnungswirtschaft
Ein Kompromiss wurde auch mit der privaten Wohnungswirtschaft erzielt, um sicherzustellen, dass bei neuen Bauprojekten ein angemessener Anteil an Sozialwohnungen entsteht. Zukünftig müssen in solchen Fällen 30 Prozent der neuen Wohnungen Sozialmietwohnungen sein, im Vergleich zu den bisherigen 20 Prozent. Zusätzlich müssen 10 Prozent der neuen Wohnungen zu preisgedämpften Mieten angeboten werden, die unter der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen. Alternativ können auch 10 Prozent der neuen Wohnungen preiswerte Eigentumswohnungen oder Mietwohnungen für mittlere Einkommen sein. Insgesamt werden somit Vorgaben für 40 Prozent der neuen Wohnungen festgelegt. „Der Wohnungsbau ist bundesweit ins Stocken geraten. Daher ist es ein positives Zeichen, dass sich Stadt und Wohnungswirtschaft auf eine engere Zusammenarbeit verständigt haben“, so Oberbürgermeister Frank Nopper.
Durchschnittsmieten werden überschritten
Um bedürftigen Haushalten das Wohnen überhaupt noch zu ermöglichen, ist der Staat mittlerweile gezwungen, stetig steigende Mieten auf dem freien Wohnungsmarkt zu akzeptieren, heißt es in der Pestel-Studie. Unter den zehn Regionen, in denen die Durchschnittsmiete bei der Zahlung der Kosten der Unterkunft am stärksten überschritten wird, liegen vier in Baden-Württemberg. Dazu gehören die Region Stuttgart, die Stadt Freiburg und ihr Umland sowie die Region Neckar-Alb um Tübingen und Reutlingen. Um dieser Entwicklung Einhalt zu gebieten, muss der Staat laut Gaßmann mehr Geld in den Bau neuer und zusätzlicher Wohnungen investieren, statt überhöhte Mieten zu bezahlen. „Sonst werden die Mietpreise immer mehr in die Höhe getrieben“, sagt er.
VIDEO: Stuttgarterinnen und Stuttgarter zur Wohnungssituation 2021
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Foto: STUGGI.TV